Fake-Likes & Co: Randphänomen oder gängige Praxis im Onlinemarketing?

Fake-Likes, Follower, Bewertungen

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Gekaufte Fans auf Facebook und Fake-Follower auf Instagram sind kein neues Phänomen – auch fingierte Produktbewertungen in Onlineshops sind ein längst bekanntes Problem. Allerdings ist die vorherrschende Meinung, dass Fakes nichts bringen und nur rausgeschmissenes Geld sind. Wir fragen: Stimmt das?

Nicht nur auf Instagram sind Follower zu einer Art Währung geworden. Wer als Influencer durchstarten, und sich bei einer entsprechenden Agentur bewerben will, der braucht in Sachen “Fans” schon richtig was auf der hohen Kante. Schließlich wollen Unternehmen, die Produkte von Influencern geschickt platzieren lassen, ein gutes Geschäft machen. Ein “gutes Geschäft” machen da auch Anbieter, die Fake-Follower anbieten. Ebenfalls im Sortiment: Fake-Likes für Facebook-Pages, Retweets auf Twitter, Kommentare sowie Google- und Onlineshop-Bewertungen. Aber handelt es sich dabei wirklich nur um ein Randphänomen wie viele behaupten, oder ist das Kaufen von Fake-Likes nicht nur gängige Praxis, sondern vielleicht sogar unverzichtbar im Onlinemarketing der Gegenwart? Eine harte These, die wir anhand verschiedener Beispiele aus der Psychologie verdeutlichen wollen.

“Bloß keine Fake-Fans kaufen”

Wenn man die Suchmaschine seiner Wahl mit dem Suchbegriff “Facebook-Fans kaufen” bedient, spielen einem die SERPs zum einen verschiedene Anbieter, zum anderen eine Reihe von Blogs und Plattformen aus, auf denen in der Regel uneingeschränkt vom Kauf von Fake-Likes und -Kommentaren abgeraten wird. Doch scheinbar lassen sich viele von diesen Ratschlägen (ob diese Ratschläge klug sind oder nicht, klären wir später noch) nicht beirren, schließlich gibt es entsprechende Untersuchungen, die eine deutliche Sprache sprechen und diese Meinung widerlegen.

SRF Data hat im Jahr 2017 beispielsweise 115 große Instagram Influencer auf Fake-Follower hin untersucht. Dabei kam ein Algorithmus zum Einsatz, der verschiedene Anhaltspunkte berücksichtigt, die vorab von den Forschern ermittelt wurden. Das Ergebnis:

“Offenbar haben alle Influencer einen gewissen Anteil Fake Follower”, schreibt der SRF in einem Artikel auf seiner Website.

Die Forscher fanden heraus, dass der tatsächliche Anteil an Fake-Followern auf Instagram meist zwischen 5 und 25 % liegt – Ausreißer mit weit über 25 % gibt es auch. Tendenziell scheint es so, dass bei einer höheren Anzahl Followern auch der Anteil der Fakes höher liegt. Auf das Thema angesprochen gaben viele Influencer (und deren Agenturen) zu verstehen, dass sie nicht wüssten, woher diese Fakes kämen und man es als lästiges Übel betrachten würde – im Endeffekt könnte ja auch irgendwer anders Fakes für irgendein Profil kaufen.

Fake-Fans erkennen? Gar nicht (mehr) so leicht!

Viele der Fake-Gegner argumentieren damit, dass man Fake-Profile ja auf Anhieb, spätestens aber mit Hilfe kostenloser Online-Tools erkennt. Solche Tools untersuchen z.B. das Herkunftsland der Profile. Handelt es sich bei den Fans einer deutschen Facebookseite größtenteils um Profile aus Indien, Bangladesh oder anderen nicht-deutschsprachigen Ländern, wird wohl kräftig eingekauft worden sein. Der zweite Anhaltspunkt sei die Interaktion: Hat eine Seite oder ein Profil viele Likes, ist die Interaktion jedoch sehr niedrig, sollte einem das komisch vorkommen.

Das “Problem”: Bei den Anbietern von Fake-Fans und -Followern kann man wählen, aus welchem Land die Profile kommen sollen (also auch aus Deutschland) und darüber hinaus die Interaktion gleich mit einkaufen. Post-Likes, Shares bzw. Retweets, Kommentare und Co: alles zu haben – und zwar zu Spottpreisen. Die offensichtlichen Indizien für Fake-Fans lassen sich also bis zu einem gewissen Grad aushebeln.

Wieso aber floriert dieser Markt so? Geht es den Käufern wirklich nur darum, das eigene Ego aufzupolieren, indem man behaupten kann, viel Reichweite zu besitzen oder steckt mehr dahinter?

Die Macht der Masse

Bereits Sigmund Freud stellte in der Studie “Massenpsychologie und Ich-Analyse“ fest, dass Menschen ihr Verhalten und ihre Meinung der Umgebung anpassen, in der sie sich befinden. Das bedeutet: Baut eine Gruppe von Menschen Druck auf, könnten wir unsere persönliche Einstellung und damit auch unser Handeln ändern, um keine soziale Isolation zu erfahren.

Ein weiteres Beispiel für die Macht der Gruppe ist das Konformitätsexperiment, dessen Ergebnisse der polnisch-amerikanische Gestaltpsychologe und Pionier der Sozialpsychologie Solomon Asch im Jahr 1951 veröffentlichte. Mit der Untersuchung, die in den laufenden Jahrzehnten mehrfach in verschiedener Form wiederholt wurde, bewies er, dass eine Person wissentlich von einer richtigen Antwort abweicht, nur um die Meinung der ihn umgebenden Gruppe anzunehmen. Außerdem zeigte sich, dass eine größere Gruppe mehr Konformität erzeugt als eine kleinere Gemeinschaft.

Konformitätsdruck und Social-Media

Auch die sich auf Social-Media-Plattformen tummelnden Menschen bilden eine uns umgebende Gemeinschaft, die in der Lage ist, unser Denken und Handeln zu lenken. Denn ebenso wie in der analogen Welt, herrscht im Internet der Wunsch nach Akzeptanz und Gruppenzugehörigkeit. Indem Fake-Likes für Beiträge, Seiten oder Profile eine Art “Gruppenzwang” erzeugen, stellen sich echte Likes und echte Interaktion schneller ein als ohne eingekaufte “Meinungen”.

Studie zeigt: „Mir gefällt’s, wenn’s euch gefällt!“

Im Jahr 2012 veröffentlichten Peter Michael Bak und Thomas Keßler von der Kölner Hochschule Fresenius in einer Ausgabe des Journal of Business & Media Psychology die Ergebnisse der Studie „Mir gefällt’s, wenn’s euch gefällt! Konformitätseffekte bei Facebook“. Neben dem oben erwähnten Konformitätsexperiment von Solomon Asch, basiert die Studie auch auf der Theorie der Schweigespirale der Professorin für Kommunikationswissenschaft und Pionierin der Demoskopie in Deutschland Elisabeth Noelle-Neumann. Diese Theorie der öffentlichen Meinung besagt, dass sich Menschen eher zu einem Thema äußern, wenn die eigene Meinung nicht im Widerspruch zur vorherrschenden Mehrheitsmeinung steht.

Bak und Keßler führten ihr Experiment mit 657 Probanden durch, die Facebook in der Freizeit nutzen – also ganz normale User und keine Social-Media-Experten, denen gewisse Hintergründe bekannt sind. Insgesamt wurden die Probanden nach verschiedenen Kriterien wie beispielsweise der Nutzungsintensität in fünf Gruppen aufgeteilt. Bei drei dieser fünf Gruppen waren Facebook-Likes manipuliert (gekauft). Aufgabe der Probanden war es, auf einer Skala anzugeben wie sehr ihnen ein Bild gefällt, das auf Facebook gepostet wurde. Das Ergebnis der Untersuchung war eindeutig: Je mehr Likes ein Bild hatte, desto positiver wurde es von den Probanden bewertet. Die Anzahl der Likes hat also eine direkte Auswirkung auf die Konformitätsneigung und die Bereitschaft Beiträge oder Seiten selbst zu liken, zu kommentieren und Inhalte aufzurufen und mit seinen eigenen Freunden zu teilen.

Konformitätsprinzip auch beim Onlineshopping relevant

Einer Studie des Branchenverbands bitkom stellt fest, dass Kundenbewertung beim Online-Shopping das wichtigste Kriterium für die eigene Kaufentscheidung darstellen. Allerdings halten Experten den Großteil der Bewertungen im Netz für fragwürdig. Die Verbraucherzentrale NRW spricht hier von 98 Prozent aller Bewertungen in Onlineshops, wie man einem Bericht auf der Webseite des “ARD-Faktfinders” zu manipulierten Kundenbewertungen entnehmen kann. Dabei werden nicht nur Kommentare für Amazon gehandelt:

Auch gekaufte Bewertungen bei TripAdvisor, Holidaycheck, eBay und Google stehen hoch im Kurs. Trotz einer Reihe von Indizien und technischen Tools zur Ermittlung von Fake-Rezensionen, sei eine eindeutige Unterscheidung mehr oder weniger unmöglich.

Strafrecht & Fake-Bewertungen

Zwar sind Fake-Bewertung als irreführende Werbung zu werten und damit strafbar, doch weil meist nicht nachweisbar ist, wer die Bewertungen gekauft hat (wenn es überhaupt rauskommt), ist auch eine Anklage schwierig. Denn prinzipiell kann jeder Internetnutzer für jede Seite Bewertungen, Likes oder sonst etwas kaufen.

Fazit

Bricht man erst einmal aus dem Käfig der eigenen Meinung und Weltanschauung aus, die nicht selten genauso angepasst ist wie die, der durch fingierte Likes und Bewertungen animierten Zielgruppe, eröffnet sich einem die reale Scheinwelt: Gekaufte Kommentare, Fake-Likes und Paid-Conversion sind Wirklichkeit und gängige Praxis im Onlinemarketing. Und wir gehen noch einen Schritt weiter: Ohne sich der psychologischen Effekte dieser Fakes zu bedienen, wird es in vielen Fällen schwierig, sich überhaupt in einem (zu sehr großen Teilen verlogenen) Online-Markt zu etablieren.

 

OnFoxx Tipp:

Ob man sich dem Druck beugt und seine eigenen Produktbewertungen und Likes fingiert, um die Anzahl echter Likes und Interaktionen zu pushen, muss jeder selbst mit seinem Gewissen und einer etwaigen strafrechtlichen Relevanz vereinbaren. Zudem bestätigen Ausnahmen die Regel: In vielen Branchen und vor allem dem B2B Bereich sind die (positiven) Effekte von Fakes nicht wirklich relevant. Zudem sind die Negativfolgen, sofern man entlarvt wird, deutlich gravierender.

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